Das Elternmagazin des MONTESSORI Zentrum Nürnberg

MONTi CARLO
vom 21. August 2023
Resilienz-Entwicklung im Kleinkindalter
Wie die Montessori-Pädagogik unsere Kinder stärkt
So stark zu sein, dass man auch Tiefen im Leben gut überstehen kann. Darunter versteht man Resilienz. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig diese Fähigkeit ist. Das Kinderhaus im MONTESSORI Zentrum begleitet Kinder im Entwicklungsprozess in Richtung Resilienz, denn Resilienz verschafft Freiheit und Unabhängigkeit. Beides sind zentrale Entwicklungsziele in der Montessori-Pädagogik. Wie genau Montessori-Pädagogik bei der Resilienz-Entwicklung hilft, erläutert Cornelia M., pädagogische Leiterin der Krippe, am Beispiel der sieben Säulen von Resilienz-Coach Daniel Duddek.

Von sieben Säulen spricht Coach Daniel Duddek. Diese seien das Fundament, die ein Kind braucht, um später Krisen gut zu meistern: (Selbst-)Akzeptanz, realistischer Optimismus, Zielorientierung, Empathie, Emotionssteuerung, Selbstwirksamkeit und Aktive Lösungsorientierung. Sie sollen unsere Kinder im späteren Leben befähigen mit Tiefschlägen und Problemen umzugehen.

In der Krippe haben wir auch den ein oder anderen Stützpfeiler verbaut, sowohl räumlich als auch pädagogisch. Die Säulen in der Krippe tragen zuverlässig unser Dach und geben die Möglichkeit für Weitblick im Garderobenbereich und Bewegungsraum. Die pädagogischen Aspekte geben uns Unterstützung im Alltag und in der Reflexion unserer Begegnungen mit den Kindern.

Resilienz der Mitarbeitenden

Die Resilienz der Kinder fängt bei uns Pädagogen an. So begegnen wir z.B. Eltern und Kindern von Anfang an mit Empathie und gestalten den Prozess der Eingewöhnung soweit möglich angepasst an die Bedürfnisse der jeweiligen Familie, verlieren aber unser Ziel nicht aus den Augen. Die Akzeptanz der unterschiedlichen Reaktionen der Kinder auf die neue Situation oder auf die Trennung von den Eltern hilft uns gelassen zu bleiben. Durch den Austausch und die Reflexion im Team behalten wir unseren Optimismus und können die Erfahrung aller für eine aktive Lösungsorientierung nutzen, wenn sich Schwierigkeiten auftun oder ein Prozess ungewöhnlich verläuft.

Da uns doch immer wieder große Emotionen von den Kindern entgegengebracht werden, ist es täglich eine Herausforderung gut bei sich zu bleiben und Wege für die eigene Emotionssteuerung zu entwickeln, den Kindern vorzuleben und die Emotionen der Kinder gut begleiten zu können. Ebenso wie die Selbstwirksamkeit für uns Pädagog*innen eine Bedeutung für die eigene berufliche Zufriedenheit hat, ist dies ein Aspekt, der in der Montessori-Pädagogik eine tragende Rolle spielt.

Eigenständig agieren

Durch den gesamten Tagesablauf ziehen sich Quellen für Selbstwirksamkeit, die wir schon in der Eingewöhnungsphase nutzen können umnd den Kindern erste Möglichkeiten für ihre Unabhängigkeit in der Krippe zu geben. Mit Hilfe eines Fotos am Schrank wissen die Kinder sehr schnell, wo sich ihre Kleidung für den Heimweg befindet und wo morgens die Schuhe verstaut werden. Durch den eigenen Wäschebeutel, der jeden Tag dabei ist, haben sie schon einen kleinen Auftrag im Gepäck, den sie eigenständig bewältigen können, indem sie die frische Kleidung zu ihrem Schrank mit der Ersatzwäsche bringen.

Die jungen Kinder sind darauf sehr stolz und „helfen“ beim Einräumen in die Wäschebox. Diese Erfahrung, den Weg vom Eingang zum eigenen Schrank allein gehen oder krabbeln zu können, kann ihnen niemand mehr nehmen. Dieses „selbst tun können auf Augenhöhe“ setzt sich fort mit Tisch decken, Brot streichen und belegen oder in der Gruppe eine Arbeit auswählen… Das Wissen, dass Dinge immer am gleichen Platz stehen bzw. zu finden sind, ebenso wie Routinen und klare immer wiederkehrende Abfolgen geben den Kindern Sicherheit und die Freiheit eigenständig agieren zu können, weil sie abschätzen können, was als nächstes passieren wird.

Bedeutung von Bewegung

Bewegung hat offensichtlich viel Potenzial für Selbstwirksamkeit, aber auch alle anderen Säulen für Resilienz lassen sich in Bewegungsbeispielen abbilden. Wenn Kinder versuchen zu balancieren, brauchen sie ein Ziel vor Augen und eventuell einen Plan, wie sie auf den Balken hinauf und wieder hinunterkommen. Hilfestellung gibt es zum Beispiel durch eine Rampe, die ältere Kinder als aktive Lösungsfindung an den Balken schieben. Die Kinder brauchen oder lernen Empathie, weil andere Kinder langsamer balancieren oder hinunterfallen. (Meist wird hier schnell Erste Hilfe mit einem Kühlpack geleistet, das eigenständig aus dem Kühlschrank geholt wird.) Es braucht Akzeptanz der Situation, wenn es heute noch nicht klappt mit dem Balancieren und genügend Optimismus, um es morgen und übermorgen noch einmal zu versuchen.

Die Kinder wachsen an solchen alltäglichen Situationen, in dem sie immer besser lernen ihre eigenen Emotionen wahrzunehmen, zu benennen und anzunehmen. In diesem Fall ist die gute Begleitung durch einen Erwachsenen gefragt. Wir geben den Kindern Feedback, in dem wir beschreiben, was wir objektiv beobachten konnten, und äußern dann eventuell welche Gefühle wir beim Kind wahrnehmen und hinterfragen, ob unsere Wahrnehmung stimmt. Meist klärt sich dann, ob und welche Unterstützung das Kind in der Situation braucht. Manchmal sind die Kontaktaufnahme und ein „Gesehenwerden“ völlig ausreichend.

Umgang mit Emotionen

Die Emotionssteuerung oder -begleitung ist eine wackelige Säule in der Arbeit mit jungen Kindern. Es passiert so viel Trauriges, Aufregendes, Mitreißendes, Frustrierendes, Großartiges, Irritierendes, Faszinierendes, Verunsicherndes, Spannendes, Gemütliches, Protestauslösendes, Fröhliches, Blödes oder Harmonisches im Tagesverlauf der Krippe, dass es eine echte Aufgabe ist, diesem Gefühlsansturm gerecht zu werden. Hier kommt die Co-Regulation durch einen Erwachsenen ins Spiel. Je jünger Kinder sind, umso überwältigender erleben sie Gefühle oft, weil es eventuell neue Gefühle sind (bzw. unbekannte Situationen)., Die Kinder können noch nicht überblicken, woher das Gefühl kommt und wann es wieder weggeht.

Vieles, das neu ist, wirkt je nach ausgelöster Emotion erst einmal (lebens-) bedrohlich. Durch eine ruhige innere Haltung und die sprachliche Begleitung der Situation versuchen wir die Kinder, in der Annahme der aktuellen Situation zu unterstützen. Im weiteren Gespräch werden Lösungsstrategien vorgeschlagen oder ausprobiert und je nach Reaktion des Kindes für gut befunden. Manchmal „sitzen wir die Sache auch gemeinsam aus“ (Akzeptanz), da alle Vorschläge auf Ablehnung stoßen und man nur die eigene Nähe, Offenheit und Gelassenheit anbieten kann.

Bewegung erleben wir als gutes Mittel zum Abbau von emotionalem Stress oder um sich mit einer Situation auseinanderzusetzen. So ist unsere klare Empfehlung einen kleinen restlichen Weg morgens mit den Kindern zu laufen, da sie dann diese Zeit haben, um sich mit dem kommenden Wechsel auseinanderzusetzen. Manchmal dauert es so länger, wenn vielleicht ein Bedürfnis noch nicht erfüllt ist und die Kinder noch etwas brauchen. Aber grundsätzlich gibt es keinen besseren Übergang (ein selbstgegangener Weg) für den Einstieg in die Krippe. Beim Tragen vom Parkplatz bis zur Krippe wird man doch etwas in die neue Tagessituation „hineingeworfen“ und die Auseinandersetzung mit den Emotionen beginnt in der Krippe.

Mancher Stress lässt sich regulieren in dem man die Bewegung nutzt, um den Raum zu verlassen oder der Situation den Rücken zu kehren. Manchmal nutzen wir solche Bewegungsimpulse verbunden mit kleinen Aufträgen, um Kindern die Möglichkeit für einen Situationswechsel anzubieten. Oft treffen sie auf ihrem Weg einen guten Krippenfreund oder -freundin bzw. die gewünschte oder gerade für das aktuelle Bedürfnis passende pädagogische Fachkraft.

Vorbild sein

Etwas nicht können oder noch nicht können, schlägt in der Montessori-Pädagogik keine großen Wellen. Die Kinder haben immer wieder die Möglichkeit, Dinge erneut auszuprobieren, so oft zu wiederholen wie sie möchten oder sich die Darbietung noch einmal zeigen zu lassen. Es findet keine Bewertung statt. Hier legen wir einen guten Grundstein für Akzeptanz und Selbstakzeptanz.

Alle Arbeiten im Kinderhaus haben ein Anfang und ein Ende. Die Dinge haben einen festen Platz und einen festen Namen – eine Ordnung. Das heißt in puncto Zielorientierung gibt es auch schon das ein oder andere Steinchen in der Säule.

Unser Beitrag zur Säule Lösungsorientierung ist einmal die Offenheit für die Ideen der Kinder allgemein: Welche Bedürfnisse und Interessen haben sie gerade, welche Materialien sollten wir austauschen bzw. neu anbieten. Zum anderen ist es der Kontakt mit dem einzelnen Kind, um gemeinsam zu überlegen, was braucht es gerade in seiner Situation, was kann es vielleicht selbst tun, umeine hilfreiche Lösung zu finden.

Unser Anspruch ist ein gut begleiteter Entwicklungsprozess in Richtung Resilienz, da dieser viel mit Freiheit und Unabhängigkeit zu tun hat, die ja auch ein Entwicklungsziel in der Montessori-Pädagogik sind. Ebenso wollen wir den Kindern ein lebensechtes Vorbild sein und so wachsen wir jeden Tag ein Stück an und mit den Kindern.

Dieser Beitrag erschien erstmalig in der Ausgabe 2-2023 des Elternmagazins MONTi CARLO. Das Magazin MONTi CARLO entsteht ehrenamtlich mit und von Eltern des Montessori Zentrum Nürnberg. Es erscheint zweimal im Jahr im Februar und Juli.

Autor*in: Cornelia M.
Cornelia M. ist eine pädagogische Fachkraft mit Leitungsfunktion in einer unserer Einrichtungen. Ihre Expertise fokussiert sich hauptsächlich um die Entwicklungsperiode der frühen Kindheit (Altersgruppe 0 - 6 Jahre).
Schlagwörter: Pädagogik, Resilienz

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